Zu den größten und schönsten Dörfern des schlesischen Burgenlandes gehörte das drei Kilometer lange Rohnstock, ziemlich enau in der Mitte zwischen den drei Kreisstädten Jauer, Striegau und Bolkenhain an der Wütenden Neisse gelegen. Nimmt man die Mitte zwischen der evangelischen und der katholischen Kirche als Ortsmittelpunkt an, so ergibt sich für diesen Punkt eine geografische Lage von 50° 57’ 32“ nördlicher Breite und 16° 13’ 40“ östlicher Länge. Die Höhe über dem Meeresspiegel beträgt 235 Meter.
Rechts und links der von zwei großen und zwei kleineren Brücken überspannten Wütenden Neisse reihte sich breit und behäbig Bauernhof an Bauernhof. Ihre Größe und Aufmachung kündeten, daß ein fleißiges Bauerngeschlecht sich auf fruchtbarer Scholle einen gesunden Wohlstand erarbeitet hatte. Neben dem Dominium mit 6000 Morgen Land fanden wir Bauern mit 250 Morgen Eigentum. Der Name Plüschke war 10 x unter ihnen vertreten. Freundliche Handwerks- und Geschäftshäuser verrieten, daß auch Handel und Wandel gut gediehen. Außer 2 Holzpantoffelfabriken zählte Rohnstock 4 Gastwirte, 2 Ärzte, 1 Tierarzt, 1 Dentist, 1 Apotheker, 3 Bäcker, 3 Fleischer, 4 Schmiede, 3 Schlosser, 3 Klempner, 1 Uhrmacher, 1 Fahrradreparateur, 2 Korbmacher, 1 Böttcher, 3 Schneider, 6 Schuhmacher, 1 Sattler, 4 Gärtner, 1 Baugeschäft, 2 Stellmacher, 2 Maler, 1 Bildhauer, 9 Kaufleute und 3 Kohlenhändler.
Bekannt war Rohnstock in ganz Schlesien durch sein Schloß und vor allen Dingen durch seinen Park. Der herrschaftliche Besitz gehörte in alter Zeit zur Zisterzienserabtei Grüssau, woran noch die Reste der Teichanlagen im „Hofebusche“ erinnern. Am 2. 1. 1497 kaufte Conrad I. von Hoberg von den Brüdern von Reibnitz außer Günthersdorf noch die Güter Petersdorf (- Weidenpetersdorf) und Rohnstock. Damit kam Rohnstock - und blieb es bis 1945 - in die Hand der Familie v. Hochberg, des Geschlechts, das nach Alter, Ansehen und Besitz zu den ersten in Deutschland zählt.
Durch die vielen Kriegsunruhen, besonders durch den 30-jährigen Krieg und die Hussiteneinfälle wurde auch Rohnstock immer wieder in großes Elend gestürzt. Aber durch Fleiß und Zähigkeit seiner Bewohner wie auch durch die Tüchtigkeit seiner Bewohner und auch durch die Tüchtigkeit der Grundherren war es jedesmal möglich, diese Not wieder zu überwinden. In der Schlacht von Hohenfriedeberg fiel auf Rohnstocker Gelände bzw. in seiner nächsten Nähe die Entscheidung. Am 3. 6. war Herzog von Weißenfels im Schloß Rohnstock zu Gast und schon am nächsten Abend konnte eine Abordnung der tapferen Bayreuther Dragoner unter Marquis de Chasot, dem König von Preußen in demselben Schlosse ein „prächtiges Bouquet“ überbringen, nämlich 66 Fahnen und Siegestrophäen. An berühmten Gästen beherbergte das Schloß 1870 Kronprinz Friedrich Wilhelm, später König Albert und Königin Carola von Sachsen, Kaiser Frz. Jos. v. Österreich, 1890 Kaiser Wilhelm II.
Das Schloß Rohnstock war ein stattlicher Bau von genau 1 preußischem Morgen Größe, umgeben von einem ausgemauerten Wallgraben, über den zwei alte, steinerne Brücken führten. In der Schloßmitte befand sich ein Lichthof (10 x 10 m). Von dem gediegen ausgebauten und ausgestatteten Gebäude sind außer dem schön gewölbten, holzgetäfelten, mit wertvollem, alten Porzellan und Geschirr, mit guten Kupferstichen und Rüstungen ausgestatteten Halle der breiten Haupttreppe, den großen Glastüren noch der Musiksaal mit dem Kronleuchter aus venezianischem Glas und mit der Sammlung kostbarer, geschliffener Gläser und ganz besonders der 12 x 10 m große, durch 2 Stockwerke gehende Saal mit Kristallkronleuchter, goldgerahmten Spiegeln, Marmorkaminen und wertvollen Gemälden zu erwähnen. Im Schloß hingen Bilder von Tischbein, Pesne, Angeli, Krause, Krüger, Dittrich, Steffelt und Begeis. Außer wertvollen Teppichen und Tapisserien (Bildteppichen) waren u. a. hochwertige Möbel, zum Teil kunstvoll geschnitzt, und auserlesene Bibliotheken vorhanden. Von den schönen mit großen Sandsteinwappen geschmückten Balkonen hatte man einen prächtigen Blick auf den kunstvoll angelegten, sehr gepflegten Schloßpark, auf die geräumige, gewölbte Gitter-Sternlaube mit der luftigen Wandelhalle wie auf die „Favorite “, einen gediegenen Bau. Alte Springbrunnen, farbenfrohe Rondelle, Statuen, hohe Lebensbäume, einladende Granitbänke, Tulpen- und Magnolienbäume, von Buchsbaumkugeln eingefaßte Rasenflächen belebten und verschönten den „Hecken-“ und „Rosengarten“. Der viergeteilte Rosengarten, auf garten-architektonische Wirkung ausgerichtet, war in gefällige und malerische Rosen- und Buchsbaumstreifen und -beete aufgegliedert und überraschte sowohl mit seiner Vielzahl herrlicher Rosen wie auch mit seinen eindrucksvollen Kletterrosen-Pyramiden. In die weitere Tiefe des Parkes mit seinen Rasen- und Wasserflächen, mit seinem reichen Strauchwerk und schönen Baumbestand führte eine herrliche Allee 260-jähriger Fichten. Hier war ein geradezu ideales Vogelparadies.
Eine weitere Sehenswürdigkeit von Rohnstock war seine evangelische Kirche mit ihren bunten Altarfenstern und den wertvollen Gemälden von Andreae. Ein wunderhübscher Bau war auch das Pfarrerwitwenhaus, später Kindergarten.
Das Land- und Waldgut Rohnstock (seit 2. 1. 1497 Familienbesitz) bestand aus insgesamt 1864,32 ha (Grundsteuer-Reinertrag 36353,77 M). Zu ihm gehörten 2 Granitsteinbrüche in Bohrauseifersdorf, 1 in Dätzdorf, die Rittergüter Dätzdorf - 411,86 ha (281,02 Bohrauseifersdorf mit Acker, 21,9 ha Steinbrüche), 1 Ziegelei mit Ringofenbetrieb, Rittergut Girlachsdorf mit 447,27 ha (270,82 ha Acker, 132,7 ha Forst, 1,91 ha Steinbruch), Rittergut Merzdorf i. R. mit 575,24 ha, Rittergut Rohnstock (Dominium) mit 429,95 ha (291,94 ha Acker, 70,26 Wald).
Wir beginnen unseren Spaziergang am Bahnhof, gehen dann durch Ober-Rohnstock bis zur Neissebrücke und wenden uns dann zur Dorfmitte hin. Nach einem Abstecher zur ehemaligen evangelischen Kirche gehen wir weiter die Neisse abwärts ins Niederdorf, wie es damals hieß. An der unteren Neissebrücke, auch Liebigbrücke genannt, kehren wir auf der "Kleinen Seite" zurück und beschließen den Rundgang am Schloß. Zum Ausklang grüßen zwei Störche in der Neisse.
Stand: 4.1.2011